111 Raul

unser Reiseführer auf der Insel Suasi, ist 28. Er hat zusammen mit einem Cousin ein Restaurant in Puno. Seine Freundin studiert dort Jus. Doch er sieht sie nur alle zwei Wochen, denn er lebt auf Suasi. Dort hat er sie kennengelernt, als sie als Physiotherapeutin arbeitete. Er stammt aus einer streng protestantischen Familie, seine Freundin ist katholisch. Das machte für ihn bereits eine Öffnung nötig. Jetzt interessiert es ihn, im Kontakt mit Touristen seinen Horizont immer mehr zu erweitern. Über die Pflanzen und Tiere, die er uns erklärt, freut er sich auch selber. Er hat erstaunliche Kenntnisse in verschiedensten Gebieten, zitiert griechische Philosophen, hat Goethe gelesen, spricht über den Einfluss der Aufklärung und der Französischen Revolution in Südamerika, ist beeindruckt vom Buddhismus und Hinduismus. Peru sei ein Land der alten Traditionen, die Verehrung der Mutter Erde hat sich mit dem importierten Christentum zu einer unauflöslichen Legierung verbunden. Heute allerdings fänden viele Junge die Traditionen von gestern. Ohne sie sklavisch zu befolgen findet er es falsch, sie einfach über Bord zu werfen. Das Konzept der Mutter Erde nimmt um Jahrhunderte vorweg, was der Umweltschutz heute vertritt. Raul möchte einmal ein eigenes Geschäft aufbauen, eine Pizzeria oder ein Hotel. Er studiert aber auch die Börse und weiss, wieviel Geld man damit verdienen und verlieren kann. Auch ein Geschäft mit Solarzellen hat er sich schon überlegt. Er fragt sich, warum Peru es nicht schafft, seine Bodenschätze selbst weiterzuverarbeiten, sondern die Wertschöpfung dem Ausland überlässt. Die Inkas seien doch sehr erfinderisch gewesen. Das Gespräch mit ihm ist ein Austausch: er erklärt uns Peru und wir erzählen ihm von der Schweiz. Und er merkt sich, was er erfährt. Seine Haltung zum Leben gefällt mir und ich wünsche ihm gutes Gelingen.

Auf dem Schiff von Suasi nach Puno, 24.04.14.