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112 Inszenierung oder Original?



Ein Besuch bei den Aymara auf der Isla Taquile würde mit einem Aufstieg von einer knappen Stunde beginnen, wo auf der Höhe der Insel das Zentrum der Bewohner liegt. Sie sind vor allen gute Weber und ihre Kopfbedeckungen, kunstvollen Gürtel und die Farben der Blusen der Frauen sind gesellschaftliche Signale: heiratsfähiges Mädchen, verheiratete Frau, Mann auf der Suche nach einer Frau, zur Zeit nicht an Heirat interessierter Mann, verheirateter Mann. Auch die Männer tragen hier (und sonst nirgends) eine elegante Alltagstracht, die ganz sonntäglich wirkt. Mit Auf- und Abstieg dauerte ein Besuch drei Stunden. Das wäre zuviel auf dem Weg nach der Insel Suasi. Die Hotelkette Casa Andina hat darum am Ufer ein Stück Land gekauft. Hierher kommen eine Familie und zugewandte Bewohner. Die Frauen weben, die Männer stricken (!), die Kinder schauen, der Familienvater demonstriert, wie sie aus einer Pflanze einen Seifenschaum gewinnen, mit dem die fettige Alpacawolle schön weiss gewaschen werden kann.

Alles nur künstliche Inszenierung für die eiligen Touristen? Sicher hätte ein Aufstieg einen reicheren Einblick in die Lebensumstände der Aymara gegeben. Die Menschen aber, ihre Tätigkeiten und ihr Verhalten: ein wenig scheu, aber sich ihrer Sache sicher, das alles ist echt. Auch als sie schliesslich als Überraschung eine Musikgruppe mit Blasinstrumenten und Trommel formieren, die einen Tanz aufführen, ist das zwar für uns gemacht, aber es ist ganz ihre Art zu musizieren und zu tanzen. Besonders Eindruck gemacht hat uns ein breiter Bildgürtel, der die zwölf Monate mit ihren Anlässen und Tätigkeiten darstellt. Der sei teuer, erklärt der Reiseleiter, 80 Dollar, alles andere sei viel günstiger und für Soles zu haben. Der fein gewebte Monatskalender ist seinen Preis wert, umso mehr als wir damit der ganzen Gruppe unsere Freude und Anerkennung kundtun können. Margrit gibt das Geld dem Familienoberhaupt. Der Reiseleiter erklärt, dass seine Frau, die den Kalendergürtel auch gewebt hat, die Bank sei. Der Mann bringt ihr das Geld und sie verstaut es.

Auf dem Titicacasee, 24.04.14.


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